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Best Practices für das Projektmanagement in Hochschulen Teil 1

Welche Methoden und Werkzeuge können eingesetzt verwendet werden, um Projekte in Hochschulen effektiv zu planen und durchzuführen?

Projekte spielen auch in Hochschulen eine immer größere Rolle; teils ist von „Projektifizierung“ der Forschungsarbeit die Rede. Dabei stehen viele Teams vor besonderen Herausforderungen, u.a., weil es – anders als etwa in der Industrie – kaum Standards oder den Austausch von Best Practices gibt. In diesem Blogartikel geht es um einen ersten Überblick über Best Practices für das Projektmanagement in Hochschulen. Ob Sie Projektleiter*in sind oder einfach nur mehr über das Thema wissen wollen: Sie erhalten einen ersten Impuls dazu, wie Projekte unter den besonderen Bedingungen der Arbeit in Hochschulen effektiv geplant und durchgeführt werden können. In vier Blogbeiträgen folge ich den klassischen Projektphasen:

Vorbereitung und Planung,

Umsetzung,

Kontrolle,

Dokumentation.


Teil 1: Vorbereitungs- und Planungsphase

In verschiedenen Workshops mit Projektleitungen und -mitarbeitenden in Hochschulen kam die Frage auf, ob die Vorbereitungs- und Planungsphase nicht eher wie ein eigenes, autonomes Projekt gedacht werden sollte, da sie unter anderen Rahmenbedingungen, mit anderen Zielen und Strategien und teils auch mit anderem Personal durchgeführt werden als das eigentliche Projekt nach der Bewilligung. Gleiches gilt für Folgeprojektlaufzeiten.


Vorbereitungszeit explizit einplanen

Aus meiner Beratungserfahrung empfehle ich, zu Beginn jeder Projektphase Zeit zur Vorbereitung der eigentlichen Projektarbeit einzuplanen, also mindesten je

  • zu Beginn der Antragsphase,
  • zu Beginn der Projektarbeit,
  • zu Beginn der zweiten, dritten etc. Förderphasen,
  • zu Beginn der Nacharbeit, wenn die offizielle Förderung endete.

Arbeitspakete definieren

In diesen Planungsphasen arbeiten in der Regel die Projektleitungen und -koordinationen zusammen, um Ziele zu definieren bzw. zu re-definieren, falls sich etwas an den Rahmenbedingungen geändert hat, um Ressourcen zu sichten und zuzuweisen und den Projektablauf zu planen. Auch Arbeitspakete, die Leitung und Koordination – also nicht die eigentliche Forschung – betreffen, sollten in dieser Planungsphase „geschnürt“ werden – d.h. so definiert, dass für alle Beteiligten klar ist, wer verantwortlich, wer zuständig und wer weisungsberechtigt in welchen Angelegenheiten ist.

Tools: Verantwortlichkeits(RACI)-Matrix, Projektstrukturplan

Dabei kann es natürlich geschehen, dass Punkte unklar bleiben, weil sie nicht entschieden werden wollen oder auch nicht entschieden werden können, da Daten oder Rückmeldungen fehlen. Auch dann ist es für den weiteren Projektverlauf sehr hilfreich, um diese offenen Punkte zu wissen und eine Vereinbarung zu treffen, wie damit umgegangen werden soll.

Tool: Liste / Visualisierung offener Punkte


Zuständigkeiten, Verantwortung und Rollenverständnis

Nach der Klärung zentraler Organisationsfragen in Leitung und Koordination bietet es sich an, Fragen zu Entscheidungen, Kommunikation, Ressourcen und gegenseitigen Verbindlichkeiten auch im Kreis der PI zu besprechen. Erfahrungsgemäß wird in Hochschulprojekten intuitiv die Struktur aus der Linienorganisation übernommen. D.h., insbesondere von Professor*innen wird die Übernahme von Verantwortung auch mit Blick auf organisatorische und strategische Aufgaben erwartet, auch dann, wenn sie nicht Mitglied des Lenkungskreises sind – oder gar kein Lenkungskreis eingesetzt ist, weil das im Projekt vertretene Professorium quasi als „geborener“ Lenkungskreis gedacht wird. Zur Vorbereitung der Projektarbeit gehört darum eine Art Verfassung, mindestens aber ein Organigramm, das für alle verbindlich sichtbar macht, welche Art von Aufgaben mit welchen Projektrollen und Personen verbunden ist – und auch angenommen wird. Auch hier gilt: Falls Leerstellen entstehen oder sichtbar werden, kann auch das Bewusstsein dieser Leerstelle Konflikten und Enttäuschungen vorbeugen.

Tools: Organigramm, Rollencanvas


Visualisierung des Zeit-Aufgaben-Verhältnisses

Als Best Practice aus der Vorbereitungsphase haben sich weiterhin verschiedene Visualisierungen des Zusammenhangs von Zeit und Aufgaben erwiesen – je nach Projekt kann dies eine simple Verbindung aus Kalender und Arbeitspaketen bzw. ein Ablaufplan sein oder bei parallelen Arbeitsphasen auch ein Gannt-Diagramm, das die Überschneidungen und Abhängigkeiten der einzelnen Projektteile visualisiert.

Für fortgeschrittene Projektleitungen und/oder -koordinationen eignet sich zudem der Kritische Pfad. Eigentlich ist der Kritische Pfad ein Tool, das zur Effizienzsteigerung dient und eine Aufgabenfolge berechnet, die erfolgskritisch ist und den wenigsten Puffer hat. Für Hochschulprojekte schlage ich vor, dieses Tool etwas abzuwandeln und so zu nutzen, dass für alle Projektbeteiligten sichtbar wird, welche Arbeitspakete mindestens bearbeitet werden müssen, um zum Mindestergebnis zu gelangen. Dies setzt zweierlei voraus:

(1) Die Bereitschaft, im Minimum statt im Optimum zu denken,

(2) Das Wissen über die Arbeitspakete und ihre Binnenabhängigkeit.

Wenn dies gewährleistet ist, bietet der Kritische Pfad vor allem in Krisenzeiten und während Phasen knapper Zeit eine gute Orientierung zur Priorisierung von Aufgaben und Arbeitspaketen.

Tools zur Zeit-Aufgaben-Planung: Ablaufplan, Gannt-Diagramm, Kritischer Pfad in Hochschul-Adaption.


Verfassung und Teambildung

In die Vorbereitungsphase können zudem einige Besprechungen fallen, die häufig als Workshops bezeichnet werden, da kollaborativ an Ergebnissen gearbeitet werden soll. Als sinnvolle Workshops in der Vorbereitungsphase haben sich die folgenden erwiesen:

Zieleworkshop: Bereits die Projektteamzusammensetzung aus befristetem und unbefristetem Personal, aus Verwaltungs- und Forschungsmitarbeitenden, aus Stellen, die zu 100% im Projekt verortet sind und solchen, die nur anteilig im Projekt arbeiten legt nahe, dass diese Personen mit unterschiedlichen Zielen in die Projektarbeit starten. Dies kann dazu führen, dass Hinterbühnen der Motivation entstehen und nicht offen kommuniziert wird, sich stattdessen eine Rhetorik des Gemeinsamen etabliert, die aber nicht wirklich ein Gemeinsames abbildet, weil dies nie „geschaffen“ worden ist. Der Zieleworkshop kann die Projektarbeit insofern deutlich entlasten, indem alle sichtbar machen können, welche gemeinsamen Ziele sie sehen und teilen und welche individuellen Ziele sie mit der Arbeit im Projekt verfolgen. So kann etwas deutlich werden, dass für einige Menschen die Antragsphase (und anschließend die Folgeantragsphase) am wichtigsten ist, weil ihr erstes Ziel ist, Ressourcen zu generieren – vielleicht auch, damit andere inhaltlich arbeiten können. Für andere Personen hingegen ist es wichtig, im Anschluss an die Stellenfinanzierung aus dem Projekt eine Folgestelle zu erhalten oder sich auf eine Dauerstelle bewerben zu können. Dieser Workshop setzt Vertrauen voraus, schafft aber auch Transparenz und Vertrauen untereinander. Außerdem kann er die Personal- und Zeitplanung unterstützen; sollte also etwa deutlich werden, dass Projektmitarbeitende während der Laufzeit ausscheiden werden, z.B. aufgrund der Regelungen des WissZVG, können wichtige Ereignisse, an denen sie mitwirken sollen, entsprechend geplant werden.

Mit Blick auf die Projektziele kann es darüber hinaus einen Versuch wert sein, gemeinsame “Objectives & Key Results” zu definieren – woran werden Sie erkennen, dass Sie ein Ziel erreicht haben? Was sind Schlüsselergebnisse, die Sie anstreben und die einen qualitativen Unterschied für die Projektarbeit machen?

Kick-Off-Workshop: Der Kick-Off-Workshop dient zum einen dem gemeinsamen Erleben im Team und dem gemeinsamen „Start“ – also der Vergewisserung „Jetzt geht es los“. Das klingt banal, ist aber relevant, weil Projektteams häufig ganz unterschiedliche Vorgeschichten mit dem Projektthema haben. Die einen tragen schon seit Jahren eine Idee in sich, die sich erst jetzt in konkreter Arbeit manifestiert. Die anderen stoßen neu hinzu und benötigen ein Onboarding in die Ideenwelt, oft auch in die für sie neue Hochschule. In diesem Workshop wird daran gearbeitet, dass alle Beteiligten hinsichtlich der Projektorganisation auf denselben Stand gebracht werden – anschließend wissen, wer welche Zuständigkeiten und Verantwortungen hat, welche zentralen Regeln und Erwartungen es gibt, wer welche Entscheidungen trifft, welche Kommunikationswege bestehen und bevorzugt werden. Der Kick—Off-Workshop kann auch dazu dienen, Entscheidungen statusgruppenunabhängig voneinander zu treffen oder andere Projektgruppen über interne Entscheidungen der eigenen Projektgruppe zu informieren.  

Stakeholder-Workshops: Bei Lehrprojekten ist mir wiederholt aufgefallen, dass Projektleitungen fragten, wer denn Stakeholder von Lehrprojekten seien – zuerst die Studierenden! Aber nicht nur sie, auch andere Zugehörige der akademischen Gemeinschaft. Stakeholder-Workshops haben häufig eine mittelbare Wirkung: Sie signalisieren offene Kontakt- und Partizipationsmöglichkeiten. Daraus können Testumgebungen für Prototypes abgeleitet, Feedbacks eingeholt und mittelfristig auch „Nachwuchs“ rekrutiert werden. Weitere Stakeholder sind natürlich Angehörige der Hochschulleitungen – auch hier können Workshops helfen, Abstimmungen von Projekt und Gesamtstrategie der Hochschulen zu treffen.

Tools: Ganz- und halbtägige Workshops, ggf. mit externer oder kollegialer Moderation, OKR


Software

Eine Frage, die sich in der Vorbereitungsphase oft stellt, ist die nach geeigneter Projektmanagement-Software. Dabei gibt es sowohl Beispiele für „große“ Lösungen wie Microsoft Project als auch kleine Lösungen des Projektmanagements mit E-Mail und Anhängen. Letztlich nutzt die schönste Software nichts, wenn die Projektmitarbeitenden Energie darauf verwenden, Workarounds zu finden und zu nutzen. Darum hat es sich in der Vorbereitungsphase bewährt, zu klären, welche Prozesse und Aufgaben mithilfe von Software abgebildet werden sollen und welche Voraussetzungen die Mitarbeitenden mitbringen – bei Verbundprojekten natürlich auch die Bedingungen vonseiten der beteiligten Hochschulen. Bei Projekten mit Teams, die eine geringe Affinität zu Softwarelösungen haben, die nicht bereits in ihrem Alltag abgebildet sind, „lohnt“ es auch aufgrund der relativ kurzen Laufzeit von Projekten oft nicht, bislang nicht verwendete Verwaltungs-Software auszuwählen, aufzuspielen, alle zu schulen und durchzusetzen, dass sie verwendet wird; außerdem ist der Softwareeinsatz in manchen Arbeitsumgebungen bereits vorgegeben.
Es kann leichter sein, alle „abzuholen“, wenn Softwarebestandteile nach dem Bedarf der Projektbeteiligten ausgewählt und damit gut begründet eingeführt werden. Relevant scheint es mir hier, den Zugang zu Informationen sicherzustellen. Das bedeutet, dass es keine Projektmanagementsoftware braucht, sondern bereits allen mit einem stabilen Filesharing gedient sein kann. Die Kunst besteht nun darin, das Team so zu führen, dass es dem Pull-Prinzip folgt, also keine Informationen per E-Mail hinterhergetragen werden. Zu dem Zweck besteht für diejenigen, die ihre Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Projekte und Linienaufgaben richten müssen, die Möglichkeit, einen Alert einzurichten, sodass sie per E-Mail informiert werden, wenn Änderungen an den hinterlegten Informationen vorgenommen worden sind. Hier heißt Lean Management: Verschwendung vermeiden.

Aber vielleicht haben Sie ja auch ein sehr softwareaffines Team. Dann lohnt es sich, in der Vorbereitungsphase die Software auf die Bedürfnisse und Anforderungen im Team abzustellen, Rechte und Zuständigkeiten zu klären und Prozesse sowie Schnittstellen Mensch-Maschine zu definieren. Weiterhin bietet es sich an, Onboarding-Material zum Software-Einsatz zu erstellen, damit Mitarbeitende, die während der Projektlaufzeit hinzukommen, rasch orientiert sind und arbeiten können.

Tools: Projektmanagement-Software, z.B. Microsoft Project, Asana, Trello; Onboarding-Mappe


Risikomanagement

Die Literatur schlägt vor, während der Vorbereitungsphase auch einen Risikomanagement-Plan zu erstellen. Ich war erst skeptisch und konnte mir nicht vorstellen, dass Projektkoordination und -leitung darin tatsächlich eine sinnvolle Aufgabe sehen und sich die Zeit nehmen. Letztlich habe ich bei der Begleitung von Projekten jedoch die Erfahrung gemacht, dass das Nachdenken und Festhalten potenzieller Risiken sowie die „Trockenübung“, ehe das Risiko sich manifestiert, sehr hilfreich ist. Typische Risiken in Hochschulprojekten sind:

  • Personalengpässe: Für welche Arbeitspakete könnte es schwierig werden, geeignetes Personal zu finden? Was geschieht, wenn kein geeignetes Personal zur Verfügung steht, Personal erkrankt oder vor Projektende ausscheidet?
  • Konflikte: Welche Konflikte sind schon vorhersehbar, z.B. aufgrund von Antipathien, Konkurrenz, aber auch „sachlicher“ Art, z.B. aufgrund unterschiedlicher Methodik in interdisziplinären Projekten? Wie wollen Sie vorgehen, wenn die Konflikte eintreten?
  • Budget: Was geschieht, wenn nicht alle Projektteile bewilligt werden? Wie wollen Sie den Arbeitsplan und die Projektziele anpassen? Was geschieht, wenn etwas Unvorhergesehenes eintritt, das die Kosten steigen lässt, z.B. aufgrund von Inflation oder zusätzlichem Personal- , Lizenz- oder Materialbedarf?

Dieses Risikomanagement können Sie erfahrungsgemäß „mitlaufend“ managen. D.h., Sie könnten in ohnehin stattfindenden Meetings die Aufgabe stellen, über potenzielle Risiken nachzudenken oder aus Erfahrungen in vorangegangenen Projekten zu berichten, welche erfolgskritischen Schwierigkeiten sich gezeigt haben – und wie gelöst wurden. So entsteht nach und nach ein Risiko-Nachschlagewerk.

Tools: Risikogespräche, Sammlung, WOOP, ggf. auch eine Risikoanalyse


Insgesamt sind die Planungsphase und ihre Best Practices und Werkzeuge entscheidend für den Erfolg von Projekten in Hochschulen. Indem die Anforderungen aller beteiligten Parteien berücksichtigt werden und eine klare und detaillierte Projektplanung erstellt wird, können Projekte erfolgreich und effizient durchgeführt werden. Ist das Projekt gut organisatorisch aufgesetzt, kann für die Koordination und die Projektleitung die „Management“-Aufgabe während der Laufzeit darin bestehen, an der Qualität von Prozessen und Ergebnissen zu arbeiten und Organisationsbestandteile nachhaltig zu gestalten – statt ständig als „Feuerlöscher“ oder „Antreiberin“ agieren zu müssen.


Viel Erfolg in Ihren und Euren Vorbereitungsphasen!